Ergänzende Texte zu Fully Chipped

Da sich das Abenteuer Fully Chipped so großer Beliebtheit erfreut, hier zwei Texte, die für dieses Abenteuer bei mir zum Einsatz kamen und ggf. für andere nützlich sind. Der erste Text war mein Introtext für die damals neu entstehende CP2020 Runde, das zweite war der Epilog nach Abschluss des Abenteuers, in dessen Verlauf die Charaktere wie gesagt den Sniper Ike Turner gekillt hatten und verschwanden, ehe das Moore-Team vor Ort eintraf.

FULLY CHIPPED – PROLOG

Night City, Freistaat Nordkalifornien,2032-10-12

Die Nachricht kommt kurz vor Mittag. Sie ist von Schlips, einem Fixer aus der Northern Combat Zone. Sie ist kurz und lautet: “Meeting Purgatory 1600|2032-10-16. Kleiner Job, 1 Abend, lo risk, 100 eb oder IOU”.

Du lehnst dich zurück. Hörst dem monotonen Prasseln des Regens auf dem Synthplast der Scheiben zu. Es regnet seit Tagen. Es ist Herbst in Night City.

Irgendwo kreischt ein AV in die Häuserschluchten, während du dir eine selbsterhitzende Dose Soykaf aufreißt und den Wetterbericht aus dem Netz ziehst. Keine Wetteränderung zum Wochenende. Egal was der “kleine Job” umfassen soll, egal ob Dauerregen ein guter Vorteil sein kann, es bedeutet Arbeit in der säurekalten Nässe, für lausige 100 eb. Oder einen I-Owe-You. einen Gegengefallen.

Aber: Es ist das erste Mal, dass Schlips dir einen Job anträgt. Vielleicht Zeit, Küsschen zu geben. Eine Möglichkeit, positiv in Erinnerung zu bleiben. Für nächstes Mal, wenn es vielleicht was Größeres gibt.

Du kennst Schlips nicht besonders gut, aber wenn deine Instinkte noch nicht völlig tot sind verspricht er ein ganz guter Kontakt zu sein. Ein Mischblut aus Thailand, heißt es auf der Straße – Gut, denn das bedeutet, dass an ihm nicht noch verborgene Verpflichtungen gegen den Familienclan oder irgendein obskures Syndikat aus seinem Heimatland hängen.

Schlecht, denn Bastarde sind in den Augen der abstammungsbewussten Asiaten, von denen es in Night City mehr als zu viele gibt, entbehrbar. Und gerne das Opfer eines Job of no Return.

Schlips’ Operation ist übersichtlich. Ein weiteres dickes Plus. Ein kleiner Club in der Seemanskirche im Osthafen just südlich des Gibson Highway, ein paar Lagerhäuser etwa 10 Klicks weiter südlich, ein wohl ganz gut laufendes Schieber-Geschäft in halb- und illegaler Hardware, etwas Schmuggel über die Water Rats, etwas Muskel-Backup durch die Hellions, in deren Turf sein Club “Purgatory” liegt.

Ein straighter Fixer, keine bekannte Rep als Abzocker oder Verschaukler, dessen größter Haken sein geringes Standing ist. Das bedeutet wenig Kohle, wenig spektakuläre Kontakte, vermutlich kaum oder keine Konzern-Jobs, hinter denen das große Geld (oder eine Kugel aus der Dunkelheit) steckt. Immerhin: Schlips ist seit gut 3 Jahren in NC aktiv.

Er entwickelt sich langsam, aber stetig. Gesichert. Kein Hotshot. PLUS!

Genau wegen seinem geringen Standing hatte Schlips dich angesprochen. Dein Weg hatte dich vor einiger Zeit ins Purgatory geführt, und wie üblich hast du bei den mehr oder weniger belanglosen Bar-Talks fallen lassen, dass du auf der Suche nach “Nebeneinkünften” seist. Deine nur leicht übertriebene Story deiner Erfahrungen und Kompetenzen hatte den Barkeeper aufhorchen lassen, und wenig später bahnte sich dieser schmal gebaute, nondeskripte Typ mit der leuchtend roten Urban Flash Krawatte seinen

Weg zu dir. Ihr kamt ins Quatschen – zunächst an der Theke, dann kurz in der Sakristei, Schlips Büro, und man beschloss, in Kontakt zu bleiben.

Wie sich die Sache darstellte, kamen ab und an Leute auf Schlips zu mit Anfragen, ob er Leute kennen würde, die bei dieser oder jener Sache behilflich sein könnten.

Hatte er bisher derartige Kunden an andere ihm bekannte Fixer weitervermittelt – gegen “Vermittlungsgebühr” – wollte er nun auch ein Stück des Kuchens haben und suchte deshalb Leute, die willens und in der Lage wären, quasi auf Zurufbasis Jobs zu erledigen.

Was, das könne er noch nicht sagen, er würde eben wenn etwas reinkäme durchpiepsen, und dann würde man eben kommen oder es bleiben lassen, und notfalls müsse er dann eben den Job doch wieder weitergeben, wenn er niemanden an der Hand hätte, der die Sache übernehmen könne.

Nun also die erste Nachricht. 100 eb. Verdammt wenig, selbst für einen kurzen Job, aber besser als nichts, und im Zweifelsfall als “Werbungskosten” verbuchbar.
Umgekehrt: Verkauft man sich unter Wert, wenn man auf so eine Offerte reagiert?

Kriegt man dann auch in Zukunft nur die 100-eb-Jobs rüber geschoben, unterdessen andere Kontakte von Schlips sich jetzt schlau zurückhalten, um gleich klarzustellen, dass bei denen die Talks erst ab 1K beginnen?

Der Soykaf ist alle, die Dose fliegt aus dem Fenster, während du noch immer grübelnd den Fernseher anklickst. Nur nicht zu eager sein. Schlips würde deine Antwort schon bekommen. Vielleicht würdest du sogar hingehen und dir mal anhören, worum es geht.

Vielleicht würdest du klar machen, FALLS du annimmst, dass das nur ein Freundschaftsdienst quasi als Einstand in eine für beide Seiten fruchtvolle Geschäftsbeziehung wäre.

Schließlich: Was würde in deinem Terminplan für den 16. schon Wichtigeres drinstehen?

FULLY CHIPPED – EPILOG

Sie fanden den Körper zwischen zwei korridierenden Ladecontainern an den East End Docks, unweit des Overdrive. Mit einem Handzeichen bedeutete die Anführerin des Teams ihrem Second-in-Command, sich den Anruf bei Trauma Team zu schenken: Ike hatte keinen Kopf mehr. Und auch die Medizintechnik des Jahres 2032 hatte ihre Grenzen.

Sie strich sich die weißen, kurz geschnittenen Haare zurück und ließ sich auf ein Knie hinunter, musste den roten Lack-Longcoat teilen, der im strömenden Regen an ihrem Leder-Catsuit klebte. Professionell kalte Augen nahmen das Stück Fleisch in Augenschein, das einmal ihr Gefährte gewesen war. Für eine viel zu kurze Zeit.

Ein klarer Schnitt. Vermutlich Monodraht, und garantiert von hinten. Ike hatte noch mit ihr gesprochen. Hatte so getan, als gehöre er zu dem Gang-Abschaum der unweit gelegenen Budget-Wohnblöcke, um seine Identität zu schützen. Um die Leute samt ihrer abgewrackten Entchuldigung eines Trucks noch ein wenig länger vor Ort festzuhalten.

Sie stand auf, ihre 1,90m große Gestalt ungewohnt klein zwischen den Ladecontainern, auf dem weiten Platz, unter dem lichtlosen Himmel, im grauen Rauschen des herbstlichen Regens, dessen Dröhnen jedes Geräusch der 25-Millionen-Megalopolis zu ertränken schien.

“Die Zone holt einen immer ein”, sagte sie in das tote Mikrophon ihres Headsets, während sie sich langsam vom Anblick des Toten löste. In Night City gibt es keine Zeit zum Bedauern.

Sie nickte, als die Bestätigung ihres Teams kam, dass die Chips aus dem Lagerhaus fort waren. Fast monoton ordnete sie an, Ikes Leiche in das Lager zu bringen, ehe sie die Sprengsätze anbringen würden.

Soweit es den Bericht an Okano betraf, würden die Chips in der Halle gewesen sein.

Schließlich: Wer würde schon eine verdammte Ladung Raubkopien bemerken, die von irgendwelchen Punks auf dem Markt vertitscht würden. Sollten die sich ruhig über ihr Blutgeld freuen.

In Night City wird jedem die Rechnung präsentiert.
Irgendwann.

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